Was Blankenbach und Elsass verbindet
Main-Echo Pressespiegel

Was Blankenbach und Elsass verbindet

Gastronomie: Das Genusshotel Behl baut kulinarische Brücken zur legendären Auberge de l'Ill in Illhäusern
BLANKENBACH  Zu­hau­se kocht Si­mon Bosch schon ein­mal To­ma­ten­sau­ce im Sous-Vi­de-Be­cken. Will hei­ßen: Die Zu­ta­ten ga­ren in ei­nen Va­ku­um­beu­tel ver­packt 72 Stun­den bei nie­d­ri­ger Tem­pe­ra­tur im Was­ser­bad.

Für jemanden, der wie Simon Bosch erst 19 Jahre alt ist und auf solche Ideen kommt, zeigt die Berufskompass-Nadel eindeutig in Richtung Restaurantküche. Nach dem Abitur am Aschaffenburger Kronberg-Gymnasium stellten sich für Bosch darum keine Zukunftsfragen. Er begann eine Ausbildung zum Koch in Behls Genusshotel in Blankenbach.

Von Beginn an, erzählt Küchenchef Florian Behl, habe sein Azubi nach Höherem im Reich der Kulinarik gestrebt. Und so hat Simon Bosch im Januar die Koffer gepackt und ist südwärts gefahren: Heidelberg, Offenburg und dann irgendwann westwärts über den Main, auf französischer Seite weiter Richtung Colmar. Kurz vor der drittgrößten Stadt im Elsass, rund 330 Kilometer von Blankenbach entfernt, hat Simon Bosch sein Auto abgestellt.

Kooperation fortgeführt

Vor einer Herberge, die die ganze kulinarische Welt kennt: der Auberge de l'Ill in Illhäusern (siehe »Hintergrund«). Drei Wochen absolvierte Bosch in der Küche des legendären Restaurants von Marc Haeberlin ein Praktikum. Und führte damit eine Kooperation fort, die Florian Behl und seine Frau Melanie vor sieben Jahren begonnen haben.

Melanie Behl arbeitete ein halbes Jahr lang als Servicekraft in der Auberge, Florian Behl absolvierte dort wie sein heutiger Azubi ein vierwöchiges Praktikum. Die Behls und Simon Bosch schwärmen von dem Haus, das Restaurantkritikern seit Jahrzehnten als eines der besten der Welt gilt. Besonders, wie Simon Bosch erzählt, von der Perfektion und von einem funktionierenden Team.

»Enorme Erfahrung«

Rund 30 Mitarbeiter in der Küche, weiß Bosch, versorgten bis zu 80 Gäste. Er habe dabei zuschauen, aber auch mithelfen dürfen. Eine Woche als Gardemanger in der kalten Küche, eine Woche als Poissonier auf dem Fischposten und eine Woche als Patissier im Dessertbereich. Das Praktikum sei »eine enorme Erfahrung« gewesen, sagt Bosch. Auch das Kennenlernen von Marc Haeberlin. 68 Jahre alt, stehe er immer noch täglich seinen Mann in der Küche. Er sei eine »sehr ruhige und besonnene Person« und in seiner Küchenbrigade seien die Aufgaben klar zugeteilt.

So erlebten es auch die Behls. Sie haben das Restaurant regelrecht ins Herz geschlossen. Das zeigen die Speisekarten der Auberge de l'Ill, die in Blankenbach zur Ansicht ausliegen. Und das zeigen auch die regelmäßigen »Elsass-Genuss-Abende«, bei denen Florian Behl auch von Haeberlin inspirierte Gerichte kredenzt. Ausdrücklich wolle er seine Kreationen aber nicht mit denen der Auberge de l'Ill verglichen wissen, sagt Behl. Das könne und wolle er nicht. Die Auberge sei ein Zweisterne-Restaurant, sein Haus werde vom Michelin-Restaurantführer mit dem sogenannten Bib Gourmand ausgezeichnet, der, so ist in dem Guide nachzulesen, für »gute Produkte und eine Küche mit exzellentem Preis-Leistungs-Verhältnis« steht.

Vergleichbar, meinen Melanie und Florian Behl, seien vielmehr die familiären und bodenständigen Strukturen beider Häuser und das Bekenntnis zur Tradition. So stehen sowohl in der Auberge als auch im Restaurant schon seit Jahrzehnten Gerichte auf der Karte, die in Illhäusern Marc Haeberlins Vater Paul ersann und in Blankenbach Florian Behls Vater Gerhard.

Richtung Sterne-Gastronomie

Gerhard Behl hat 1982 mit seiner Frau Beate den Landgasthof eröffnet, der seit dem Einstieg Florian Behls in den elterlichen Betrieb 2006 auch ein Hotel ist. Ähnlich ist es in Illhäusern. Dort leitet Marc Haeberlins Schwager das Hotel des Berges. Eine weitere Gemeinsamkeit beider Häuser, so Florian Behl, sei die vielfach langjährige Treue der Mitarbeiter.

Diesbezüglich sieht es bei Simon Bosch indes nicht so gut aus. Er möchte seine Ausbildung beenden, dann aber »die Welt entdecken, andere Kulturen kennenlernen und sich dann in Richtung Sterne-Gastronomie orientieren.

Simon Bosch ist nicht der einzige Koch in der Region, der Erfahrungen in der Sterneküche gesammelt hat. So kochte etwa Stephan Eder, Inhaber von Simons Weingasthof in Alzenau-Michelbach im besternten Restaurant des Landhotels Stricker auf Sylt. Und Florian Löffler, Patron des Hotels Zum goldenen Ochsen in Aschaffenburg, arbeitete bei den Sterneköchen Kolja Kleeberg (Vau in Berlin) und Josef Viehhauser (Le Canard in Hamburg).

Hintergrund: Die Auberge de l'Ill bei Colmar

1950 eröffnete Paul Haeberlin zusammen mit seinem Bruder Jean-Pierre die Auberge de l'Ill in dem Dörfchen Illhäusern unweit der Stadt Colmar. Schon 1952 erhielt Paul Haeberlin den ersten Michelinstern, 1957 den zweiten. 1967 wurde das Haus mit drei Sternen ausgezeichnet. Seit 1976 wird die Auberge de l'Ill von Paul Haeberlins Sohn Marc geführt.

Bis 2018 adelten die Michelin-Inspektoren die Auberge mit drei Sternen, die weltweit als die höchste kulinarische Auszeichnung gelten. Deshalb werden die Haeberlins auch seit eh und je mit Jahrhundertkoch Paul Bocuse in einem Atemzug genannt. Daran hat sich auch nichts geändert, als der Michelin 2019 den dritten Stern strich.

Bei den Haeberlins machten auch viele in Deutschland arbeitende Köche Station. Der bekannteste ist wohl der Österreicher Eckart Witzigmann, der 1965 als 24-Jähriger dort die Nouvelle Cuisine kennenlernte. Er brachte sie 1971 als Küchenchef des Restaurants Tantris in München nach Deutschland. 1978 eröffnete er dort sein eigenes Restaurant Aubergine, dessen Name sich auch von der Auberge de l'Ill ableitete. 1979 wurde die Aubergine als erstes deutsches Restaurant mit drei Sternen dekoriert. Es behielt die Auszeichnung bis zur Schließung 1994.

Die Gründer der Auberge de l'Ill sind unterdessen gestorben. Paul Haeberlin starb 2008 im Alter von 84 Jahren, sein Bruder Jean-Pierre 89-jährig 2014. ()

Hintergrund: Geringes Interesse am Beruf Koch am bayerischen Untermain

Obwohl man als Koch dort arbeiten kann, wo andere Urlaub machen, und einem die ganze Welt offen steht, wollen vergleichsweise wenig junge Frauen und Männer diesen Beruf erlernen. Anstatt etwa auf Kreuzfahrtschiffen oder an den schönsten Ecken der Erde Karriere als gut bezahlte Küchenchefinnen und -chefs zu machen, entscheiden sie sich lieber für kaufmännische oder andere technische Berufe.

Dies belegen Zahlen der Industrie- und Handelskammer Aschaffenburg (IHK). So nahmen im vergangenen Jahr 36 Auszubildende im Beruf Koch/Köchin an der Abschlussprüfung teil, 2021 waren es 35. Das sei im Vergleich zu früher schon »ein kleiner Aufschwung«, wie Maria Bausback findet, IHK-Bereichsleiterin Aus- und Weiterbildung. Dieser Aufschwung habe damit zu tun, dass Gastronomen zunehmend und notgedrungen im Ausland auf Personalsuche gingen und dort auch fündig würden.

36 Prüflinge im gesamten Kammerbezirk (Stadt und Kreis Aschaffenburg sowie Stadt und Kreis Miltenberg) sind aber dennoch wenig. Zum Vergleich: 93 Fachinformatiker legten laut IHK-Statistik 2022 die Abschlussprüfung ab, des Weiteren 100 Industriemechaniker und 109 Industriekaufleute.

Das vergleichsweise geringe Interesse daran, Köchin oder Koch zu lernen, führt Bausback auch auf die vermeintlich ungünstigen Arbeitszeiten in der Gastronomie zurück sowie auf Stress und die körperliche Anstrengung in dem Beruf. ()

03.03.2023
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