Gemeinderäte wollen keine Abstimmung
Main-Echo Pressespiegel

Gemeinderäte wollen keine Abstimmung

Wasserbetriebsgemeinschaft: Gemeinsame Sitzung der Gemeinden im oberen Kahlgrund ohne Ergebnis - Studie zeigt dringenden Bedarf
KLEINKAHL  Von un­se­rem Re­dak­teur JO­SEF PÖM­MERLDie ers­te ge­mein­sa­me Ge­mein­de­rats­sit­zung von Klein­kahl, Sc­höllkrip­pen, Som­mer­kahl, Wes­tern­grund und Wie­sen blieb oh­ne Er­geb­nis. Ein Stimmungsbild wollte der Wiesener Bürgermeister Willi Fleckenstein (Dorfgemeinschaft) am Donnerstagabend bezüglich der Gründung einer Wasserbetriebsgemeinschaft sehen, doch die Gemeinderäte weigerten sich. Zu wenig vorbereitet seien sie, zu neu und umfangreich die Informationen, die sie verarbeiten müssten.
Das Interesse war aber groß: Neben rund 50 Gemeinderäten - drei weitere waren online zugeschaltet - saß noch einmal die gleiche Zahl Zuhörer in der Kleinkahler Turnhalle.
Im Mittelpunkt der Sitzung stand eine Analyse des Instituts Weber-Analyse über die Wasserversorgung im Kahlgrund. Lukas Knoll stellte die Ergebnisse vor.
Wassergewinnung geht zurück
Dabei ging Knoll von einer schwächeren Einwohnerentwicklung aus. Momentan haben die fünf Gemeinden 10.700 Einwohner. 2035 rechnet er mit 11.216, 2050 mit 11.386 Einwohnern. Entsprechend würde der Wasserbedarf bis 2035 um 17 Prozent steigen, bis 2050 um 18,7 Prozent. Der Tagesspitzenbedarf werde sich wegen der heißen Sommer bis 2035 um 28 Prozent, bis 2050 um 32 Prozent erhöhen.
Das Wasser wird jedoch knapper: Lukas Knoll rechnet mit einer Reduzierung um 10 bis 20 Prozent. Schon jetzt laufe der Tiefbrunnen Schöllkrippen öfters trocken. Auch die Quellen schütten weniger aus. So überschreite der mittlere Wasserbedarf in Westerngrund teilweise das Dargebot. Bis 2050 werde es auch in Wiesen kritisch. Beim Tagesspitzenbedarf werde 2050 in allen Gemeinden an heißen Sommertagen weniger Wasser fließen als benötigt.
Neue Vorkommen erschließen
Sein Fazit: Es muss mehr Wasser her. Ein Anschluss an die Fernwasserversorgung Spessartgruppe wäre zu erwägen. Zudem gelte es, neue Trinkwasservorkommen zu finden. Am wichtigsten in Wiesen wegen der abgelegenen Lage, aber auch in Westerngrund und im hinteren Kahltal.
Wichtig sei auch die Reduzierung der Wasserverluste. Diese lägen mit rund 23 Prozent deutlich zu hoch. Sie sollten höchstens zehn Prozent betragen. Mit einen Grund dafür sieht der Planer darin, dass es kein eigenes Personal für die Wasserversorgung gibt, sondern diese Aufgabe von den Bauhöfen mit übernommen werde. Dadurch würden die Wasserleitungen vernachlässigt. Knoll hielt ein fünfköpfiges Team im oberen Kahlgrund für erforderlich: ein Wassermeister und vier Fachkräfte.
Drei-Säulen-Modell
Weiter hält der Gutachter Investitionen in Höhe von 4,4 Millionen Euro für notwendig. Die Wasserwerke seien oft veraltet. Um lokalen Engpässen vorzubeugen, müssten Verbindungsleitungen gebaut und Behälterkapazitäten erhöht werden. Zudem empfahl er dringend die Sanierung der Leitung nach Hofstädten und die Regenerierung des Tiefwasserbrunnens in Schöllkrippen.
Wie Willi Fleckenstein erläuterte, solle der Einstieg in eine Wasserbetriebsgemeinschaft über die personelle Schiene erfolgen. Fleckenstein: »Wir wollen einen langsamen Einstieg und nicht gleich den Großentwurf.«
Gedacht ist an ein Drei-Säulen-Modell:
- Die Verwaltung bleibt bei der Verwaltungsgemeinschaft Schöllkrippen.
- Für Dokumentation, Überwachung und Organisation werden ein Wassermeister mit Stellvertreter eingestellt. Weiter soll eine entsprechende Ausbildungsstelle geschaffen werden.
- Die praktischen Arbeiten würden die Wasserwarte der Gemeinden übernehmen.
Gemeinden weiter zuständig
Organisatorisch seien die Wasserwarte dem Wassermeister unterstellt, sonst den Bürgermeistern. Sollten Wasserwarte in einer anderen Gemeinde aushelfen, würden die Leistungen verrechnet. Die originären Aufgaben der Trinkwasserversorgung, etwa das Ablesen der Wasserzähler, verbleiben in den Gemeinden. Dies gilt auch für die technischen Einrichtungen und das Wasserleitungsnetz. Die Kommunen entscheiden weiter über die Gebühren - das heißt, diese können unterschiedlich sein.
In der Verbandsversammlung würde ein Verbandsrat pro Gemeinde sitzen, normalerweise der Bürgermeister. Der Vorsitz soll alle drei Jahre durchwechseln. Geschätzter Finanzbedarf der Betriebsgemeinschaft inklusive Ausstattung: 250.000 Euro im Jahr, beziehungsweise etwa 60 Cent je Kubikmeter Wasser oder 30 Euro je Einwohner. Die Finanzierung soll über die Gebühren erfolgen.
Zahlreiche kritische Fragen
In der Diskussion zweifelten einige Gemeinderäte an dem prognostizierten Anstieg beim Wasserverbrauch - höher als der Bevölkerungsanstieg. Hier seien Sparmaßnahmen nicht berücksichtigt. Sommerkahls Bürgermeister Albin Schäfer (CSU) sieht dagegen Spitzenverbräuche in den heißen Sommern, »die haben wir früher nicht gekannt«. Sparen gehe nur teilweise. Schäfer: »Wir werden ein Problem bekommen, und um dem entgegenzusteuern, brauchen wir mindestens fünf bis zehn Jahre.«
Eine weitere Frage aus den Reihen der Gemeinderäte: Wie soll eine gegenseitige Unterstützung aussehen, wenn alle Gemeinden an der Grenze sind. Man komme nicht umhin, zusätzliches Wasser zu beschaffen, sagte Lukas Knoll. Ein Minimieren der Wasserverluste stehe zudem ganz oben auf der Liste der anzugehenden Maßnahmen.
Wassergebühren werden steigen
Kritik auch an den Kosten: Diese würden die Hälfte bis ein Drittel der jetzigen Wasserpreise betragen. Und da seien keine Investitionen dabei. Die Bürgermeister hielten dagegen, dass die Wasserpreise viel zu billig seien. Das Wasser im oberen Kahlgrund liege bei 1,20 bis 1,85 Euro je Kubikmeter. In Hösbach koste der Kubikmeter Wasser 2,49 Euro, in Dammbach sogar über fünf Euro.
Die Frage wurde gestellt, ob die Verwaltungsgemeinschaft nicht die Wassermeister anstellen könnte. Ein auswärtiger Dienstleister könnte ebenfalls günstiger sein. Laut Kleinkahls Bürgermeisterin Angelika Krebs (Freie Wähler) geht eine Anstellung bei der VG nicht, weil diese nur Verwaltungsaufgaben übernimmt und zwei Mitglieder (Blankenbach und Krombach) ihr Wasser bei der Spessartgruppe beziehen.
Auch bei der Frage externer Dienstleister gaben sich die Bürgermeister ablehnend. Albin Schäfer: »Geben wir das aus der Hand? Das sind große Firmen.« Eigene Fachkräften seien besser, etwa, was den Notdienst angehe. Zudem müsse man allein schon wegen verschärfter Vorschriften bei der Wasserversorgung Fachkräfte einstellen: Die jetzige Planung sei der Mindestbedarf.
Zwei Monate Bedenkzeit
Marco Schmitt (CSU, Schöllkrippen) hielt eine Betriebsgemeinschaft noch für zu kurz gedacht. Vor allem müsse Wasser her. Bohrungen seien aber kostspielig - 500.000 Euro aufwärts. »Solche Investitionen, die allen dienen, müssen auch gemeinschaftlich getragen werden. Eine kleine Gemeinde schafft das nicht alleine.«
Dies wollen die Gemeinderäte jetzt intern beraten. Danach könne man erneut eine gemeinsame Sitzung abhalten, hieß es. Dazu gab es deutlichen Beifall von den Zuhörern. Albin Schäfer schlug vor, den Gemeinderäten zwei Monate Zeit zu geben.

13.02.2023
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