Eintauchen in die Welt der »Bembel«
Main-Echo Pressespiegel

Eintauchen in die Welt der »Bembel«

Freizeit: 600 Besucher kommen zur Adventsausstellung der Eisenbahnfreunde Kahlgrund nach Schöllkrippen - Für kleine und große Kinder
SCHÖLLKRIPPEN  Von un­se­rer Mit­ar­bei­te­rin LEO­NIE HZNI­DOSchaff­ner spie­len und die Kahl­grund­bahn, auch »Bem­bel« ge­nannt, mit dem Han­dy von Sc­höllkrip­pen nach Kahl di­ri­gie­ren: Das konn­ten am Wo­che­n­en­de die rund 600 Be­su­cher der Ad­vents­aus­stel­lung der Ei­sen­bahn­f­reun­de Kahl­grund (sie­he »Hin­ter­grund«) in Sc­höllkrip­pen. Die Modellbauer stellten im Vereinsheim ihre Eisenbahnanlagen aus. Dabei gab es für Groß und Klein viel zu sehen - und mitzumachen.
Von Holzeisenbahnen und einem Rangierspiel für die Kleinsten bis zu detailgetreu modellierten, regionalen Umgebungen für die groß gewordenen Kinder bot die jährliche Ausstellung alles. In den kleinen Räumen herrschte reges Treiben: Kinder, die den Weg einer ferngesteuerten Eisenbahn durch einen Tunnel mit großen Augen verfolgten; ihre Eltern, die die Technik dahinter bewunderten; Menschen, die fasziniert auf den Hirten neben den Schienen schauten, der seine Schafe am sich dahinschlängelnden Bach trinken lässt.
Auf dem Volksfest
Auch die ausgestellten Dioramen - eigens aufgebaute Kästen, in denen sich Miniaturszenen abspielen - hatten es in sich. Sie waren voller Details und ließen die Betrachter in unzählige kleine Nebenwelten eintauchen. Ein Rummelplatz mit Fahrgeschäften, vor denen Menschen Schlange stehen, vermittelte das Gefühl, auf dem Aschaffenburger Volksfest zu sein.
Die »Bembel« wurde in ihre eigene, naturgetreue Umgebung verfrachtet: vor den Michelbacher Steinberg mit Miniaturweinreben, die sich dem Hügelende entgegen neigen; ans Fabrikgelände der Torpedo-Werke (einst Hersteller von Fahrrädern), an dessen Maschendrahtzaun ein echt wirkendes Plakat angebracht ist; in den Schwarzkopftunnel im Spessart, auf dessen Hügeln ein großer Mischwald gedeiht. Vereinsmitglied und Baummodellierer Rainer Schreck zufolge dauert das Anfertigen eines solchen Baumes vier Stunden.
Es steckt viel Liebe, Handarbeit und Auge fürs Detail in diesen Landschaften. Fast alle Bäume seien der Natur Ast für Ast nachempfunden, sagt Schreck. So habe ein Baumstumpf auf einem Acker in Elsenfeld im Kreis Miltenberg als Vorlage für die Miniaturversion gedient, und ein Baum am Sportplatz sei zum Modellbaum neben den Schienen geworden. Ein von Schreck modelliertes Gebäude hat mehr als 350 Zacken, alle handgeschnitzt von seiner Frau.
Sandstein und Schleifpapier
Der Sandstein, der in der Region natürlich vorkommt und deshalb oft zum Bauen verwendet wurde, ist auch bei vielen Modellhäusern zu finden - ebenso wie gelötete Dachrinnen oder mit Schleifpapier verputzte Wände. Die Halfter auf Modellpferden wurden per Hand aufgemalt. Modellbauer Schreck hat einigen der menschlichen Figuren Namen gegeben.
Kein Wunder, scheinen die winzigen Bewohner der Modelllandschaft doch echte Persönlichkeiten zu sein, deren Erschaffer ihnen sogar Namen geben: So stehen zwei Männer vor einem Fabrikgelände, die sich nicht ganz einig sind bei der Arbeit. »Luigi« hat die Hände erhoben und bedeutet »Karl«, seinen Lastwagen auszuladen. Dieser lehnt sich allerdings nur gelangweilt an die offene Tür seines Fahrzeugs - unwillig, seine Arbeit zu tun.
Von drei Monaten bis zu zehn Jahren und länger dauert der Bau solcher Landschaften, im Fachjargon auch »Module« genannt - je nachdem, wie viel Zeit und Erfahrung man mitbringt und welche Umgebung gebaut wird. Denn nicht nur das Erbauen der Landschaften an sich, auch die Technik muss sitzen, die Schienen müssen sauber und die Bahnen geölt sein.
Jens Popp, Metzger aus Mönchberg, kam vor sechs Jahren zum Modelleisenbahnbau. »Man lernt eine ganze Menge«, meint er mit Blick auf die Realistik der Landschaften. Davor baute er Modellflugzeuge und -panzer. Sechs Jahre saß er an seinen Bahn-Modulen, bis er sie ausstellen konnte.
Einige kahle Stellen sind auf der Ausstellung auch zu sehen: leere Holzböden, auf denen in naher Zukunft saftige Wiesen blühen sollen, unbearbeitete Schienen, die noch mit realistischer Rostfarbe bestrichen werden müssen, fehlende Hintergründe, wo später weiße Wolken auf grüne Wälder treffen.
»Miniaturwunderland«
Vor allem die »Bembel« ist ein fortlaufendes Projekt, an dem ständig gezimmert, gemalt und modelliert wird. So behält es seinen Charme, lässt die Besucher jedes Mal zurückkommen. »Wir haben hier schon ein bisschen Miniaturwunderland«, zieht Rainer Schreck von den Eisenbahnfreunden stolz den Vergleich zur bekannten Ausstellung in Hamburg. »Bloß halt nicht so groß.«


13.12.2022
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